Einleitung
Die folgenden Übungen richten sich an Schülerinnen und Schüler im Primarbereich, bei denen eine Lese‑Rechtschreib‑Schwäche (LRS) vorliegt. Sie beruhen auf Erkenntnissen aus aktuellen wissenschaftlichen Studien. Untersuchungen zeigen, dass frühe und strukturierte Leseförderung – besonders Übungen zur phonologischen Bewusstheit (die Fähigkeit, Laute in Wörtern zu hören und zu verarbeiten) – wirksam sind (honeycombcollaborative.com) . Motivierende Elemente und wiederholte Übungszeit (Dosierung) erhöhen dabei den Erfolg deutlich (honeycombcollaborative.com). Digitale Lernprogramme können ergänzen (nature.com), und reine Hirnstimulation brachte keinen zusätzlichen Nutzen gegenüber phonologischem Training (pubmed.ncbi.nlm.nih.gov). Jede Übung ist in einfacher Sprache beschrieben und enthält einen Erwartungshorizont: eine kurze Aussage darüber, was du am Ende können sollst.
Übungen
1. Reimwörter finden
Mögliche Anleitung: Lies oder höre zwei Wörter und finde heraus, ob sie sich reimen (gleich klingen am Ende). Reime wie „Haus“ und „Maus“ gehören zusammen. Arbeite in Ruhe, sage die Wörter laut und achte auf die letzten Laute. Der Schüler / die Schülerin dir mit deinem Finger die Endsilben zeigen.
Erwartungshorizont: Der Schüler / die Schülerin kann nach der Übung mindestens fünf Wortpaare korrekt als „reimend“ oder „nicht reimend“ einordnen.
2. Silben klatschen
Mögliche Anleitung: Höre ein Wort und klatsche für jede Silbe einmal. Zum Beispiel bei „Ba-na-ne“ klatschst du dreimal. Übe zuerst mit leichten Wörtern, dann mit längeren. Wiederhole das Wort laut, während du klatschst.
Erwartungshorizont: Der Schüler / die Schülerin kann bei einfachen Wörtern die richtige Anzahl der Silben erkennen und mitklatschen.
3. Laute zerlegen
Mögliche Anleitung: Hör dir ein kurzes Wort (z. B. „Maus“) an und sprich langsam jeden Laut nacheinander: „M – au – s“. Nutze Stifte oder Steine als Hilfe; lege für jeden Laut ein Teil hin. So siehst du, wie viele Laute im Wort sind.
Erwartungshorizont: Der Schüler / die Schülerin kann fünf einfache Wörter in ihre einzelnen Laute zerlegen.
4. Laute verbinden (Blending)
Mögliche Anleitung: Ein Erwachsener sagt dir nacheinander einzelne Laute, zum Beispiel „S – o – n – ne“. Du setzt sie wieder zusammen und sagst das ganze Wort: „Sonne“. Konzentriere dich und sag erst das Wort, wenn du alle Laute gehört hast.
Erwartungshorizont: Der Schüler / die Schülerin kann fünf vorgelesene Lautfolgen richtig zu Wörtern zusammensetzen.
5. Buchstaben‑Memory
Mögliche Anleitung: Bastle Karten mit Buchstaben und passenden Bildern (z. B. „A“ und „Apfel“). Lege alle Karten verdeckt auf den Tisch und decke zwei auf. Wenn Buchstabe und Bild zusammenpassen, darfst du das Paar behalten. Sprich bei jedem Aufdecken den Buchstaben laut aus.
Erwartungshorizont: Der Schüler / die Schülerin erkennt und spricht die Laute der Buchstaben, wenn sie die Karten aufdeckt, und findet mindestens fünf passende Paare.
6. Wortleiter (Word Ladder)
Mögliche Anleitung: Starte mit einem einfachen Wort, z. B. „Haus“. Ändere dann einen Buchstaben, um ein neues Wort zu bilden: „Haus“ → „Maus“ → „Maus“ → „Maul“. Schreibe oder lese jede Stufe. Versuche, mehrere Schritte zu machen, ohne die Reihenfolge zu brechen.
Erwartungshorizont: Der Schüler / die Schülerin kann mindestens drei Wörter bilden, indem du jeweils nur einen Buchstaben änderst, und du liest oder schreibst sie richtig.
7. Schnelles Benennen (Rapid Naming)
Mögliche Anleitung: Lege zehn Bilder von bekannten Gegenständen (z. B. Ball, Auto, Buch) in einer Reihe. Versuche, die Bilder so schnell wie möglich zu benennen. Miss die Zeit und versuche, dich zu steigern. Mach eine Pause, wenn du dich verschluckst, und übe erneut.
Erwartungshorizont: Der Schüler / die Schülerin kann die zehn Bilder flüssig und ohne lange Pausen benennen und wirst dabei schneller.
8. Buchstabenfolge merken
Mögliche Anleitung: Höre zu, wenn dir jemand eine kurze Reihe von Buchstaben vorliest (z. B. „B – R – A – U“). Wiederhole die Reihe in der richtigen Reihenfolge. Steigere die Anzahl langsam, sobald du sicher bist. Achte darauf, die Laute sauber auszusprechen.
Erwartungshorizont: Der Schüler / die Schülerin kann eine Folge von vier bis fünf Buchstaben korrekt wiederholen.
9. Häufige Wörter lesen
Mögliche Anleitung: Lies eine Liste von häufig vorkommenden Wörtern (z. B. „und“, „der“, „ist“). Übe sie laut, bis du sie flüssig lesen kannst. Wiederhole täglich und versuche, die Wörter schnell zu erkennen, ohne zu buchstabieren.
Erwartungshorizont: Der Schüler / die Schülerin liest 20 häufige Wörter flüssig und korrekt, ohne lange zu überlegen.
10. Häufige Wörter schreiben
Mögliche Anleitung: Nimm einige der häufigsten Wörter, die du schon lesen kannst. Lass sie dir langsam diktieren und schreibe sie auf. Vergleiche deine Schreibweise mit der richtigen und korrigiere Fehler. Achte auf Groß‑ und Kleinschreibung.
Erwartungshorizont: Der Schüler / die Schülerin schreibst mindestens zehn häufige Wörter fehlerfrei.
11. Fantasiewörter lesen (Pseudowörter)
Mögliche Anleitung: Lies erfundene Wörter wie „Paf“, „Mok“, „Lun“ – sie sind unsinnig, aber helfen dir, die Laut‑Buchstaben‑Zuordnung zu üben. Lies langsam, buchstabiere erst und versuche dann, das Wort flüssig zu sagen. Achte darauf, jeden Laut korrekt zu sprechen.
Erwartungshorizont: Der Schüler / die Schülerin kann zehn Fantasiewörter sicher lesen und dabei jeden Laut richtig aussprechen.
12. Diktat einfacher Sätze
Mögliche Anleitung: Lass dir kurze Sätze wie „Der Hund rennt.“ langsam diktieren. Hör genau zu, schreibe jeden Satz auf und prüfe ihn anschließend. Nutze Lineal und Finger, um nicht zu verrutschen. Nimm dir Zeit, um Buchstaben zu formen.
Erwartungshorizont: Der Schüler / die Schülerin schreibt einfache Sätze mit korrekter Rechtschreibung und Groß‑/Kleinschreibung.
13. Satzbau sortieren
Mögliche Anleitung: Schneide Worte aus und mische sie durcheinander (z. B. „die“, „Katze“, „schläft“). Setze die Wörter zu einem sinnvollen Satz zusammen. Lies den Satz vor und schreibe ihn auf.
Erwartungshorizont: Der Schüler / die Schülerin kann fünf durcheinander gebrachte Sätze richtig ordnen und vorlesen.
14. Leseverstehen üben
Mögliche Anleitung: Lies einen kurzen Text (z. B. eine kleine Geschichte) langsam und aufmerksam. Danach beantworte drei einfache Fragen zum Inhalt. Schreibe die Antworten auf oder erzähle sie. Besprich die Antworten mit einer Person und verbessere, falls nötig.
Erwartungshorizont: Der Schüler / die Schülerin beantwortet Fragen zum Text richtig und gibt den Inhalt in eigenen Worten wieder.
15. Zusammenfassen üben
Mögliche Anleitung: Lies einen Absatz und schreibe in einem Satz auf, was das Wichtigste ist. Verwende wenige, eigene Worte. Wenn du unsicher bist, erzähle zuerst mündlich, was passiert ist, und fasse es dann schriftlich zusammen.
Erwartungshorizont: Der Schüler / die Schülerin kann die Hauptaussage eines Absatzes in einem klaren Satz beschreiben.
16. Laut wegnehmen (Phonem‑Deletion)
Mögliche Anleitung: Jemand nennt dir ein Wort und bittet dich, einen Laut zu entfernen, z. B. „Kuh“ ohne „K“ ergibt „uh“. Übe mit einfachen Wörtern und steigere langsam die Schwierigkeit.
Erwartungshorizont: Der Schüler / die Schülerin kann bei fünf Wörtern den genannten Laut entfernen und das neue Wort sagen.
17. Laut austauschen (Phonem‑Substitution)
Mögliche Anleitung: Ändere einen Laut im Wort, um ein neues Wort zu bilden. Beispiel: Aus „Ball“ wird „Ball“ mit „F“ – „Fall“. Sprich beide Wörter laut und höre den Unterschied. Übe mit verschiedenen Anfängen, Mittelteilen und Enden.
Erwartungshorizont: Der Schüler / die Schülerin kann in fünf Wörtern jeweils einen Laut austauschen und das neue Wort korrekt nennen.
18. Buchstaben spüren (Multisensorisches Schreiben)
Mögliche Anleitung: Male einen Buchstaben in ein Tablett mit Sand oder Rasierschaum und sprich den Laut dazu. Wiederhole mehrere Male, auch mit geschlossenen Augen. Das Fühlen hilft deinem Gehirn, den Buchstaben zu speichern.
Erwartungshorizont: Der Schüler / die Schülerin kann die geübten Buchstaben sicher erkennen und weißt, welchen Laut sie haben.
19. Rhythmisches Buchstabieren
Mögliche Anleitung: Nimm ein Wort und sprich jeden Buchstaben im Takt, während du klatschst oder trommelst. Beispiel: „T – a – f – e – l“. Dies hilft dir, den Rhythmus der Buchstabenkette zu spüren und die Reihenfolge zu behalten.
Erwartungshorizont: Der Schüler / die Schülerin buchstabiert fünf Wörter richtig und im Takt.
20. Bildergeschichte ordnen
Mögliche Anleitung: Nimm drei oder vier Bilder, die eine kleine Geschichte zeigen. Bringe die Bilder in die richtige Reihenfolge und erzähle, was passiert. Schreibe danach einen kurzen Satz zu jedem Bild.
Erwartungshorizont: Der Schüler / die Schülerin ordnet die Geschichte richtig und kann sie mit eigenen Worten erzählen.
21. Leseziele setzen
Mögliche Anleitung: Überlege dir ein realistisches Ziel, z. B. „Ich lese in dieser Woche jeden Tag zehn Minuten“. Schreibe das Ziel auf, und notiere nach jeder Übungseinheit, wie es gelaufen ist. Plane am Ende der Woche eine kleine Belohnung für deinen Einsatz.
Erwartungshorizont: Der Schüler / die Schülerin erreicht sein selbst gesetztes Leseziel und kann berichten, was ihm / ihr geholfen hat. Dieser motivierende Ansatz wird in Studien als unterstützend beschrieben (apps.asha.org).
22. Wunschtext auswählen
Mögliche Anleitung: Wähle einen Text, der dich interessiert (z. B. über Tiere, Sport oder Märchen). Lies ihn laut oder leise. Danach erzähle, was dir gefallen hat, und schreibe ein neues Wort, das du gelernt hast. Das eigene Interesse steigert die Motivation (apps.asha.org).
Erwartungshorizont: Der Schüler / die Schülerin liest den selbst gewählten Text aufmerksam und teilt eine Information daraus mit anderen.
23. Digitales Lernspiel
Mögliche Anleitung: Nutze eine Lern‑App oder ein Online‑Spiel, das Lesen und Schreiben übt. Spiele 10 Minuten konzentriert. Wähle Aufgaben, die zu deinem Niveau passen (z. B. Buchstaben schreiben, Wörter bauen). Digitale Programme können unterstützend wirken (nature.com).
Erwartungshorizont: Der Schüler / die Schülerin schließt mindestens eine Übungsrunde in der App ab und kann erklären, was er / sie gelernt hat. Beachte: Technik ist eine Ergänzung, kein Ersatz für echte Leseübungen.
24. Partnerlesen
Mögliche Anleitung: Lies gemeinsam mit einer Person (Freund, Elternteil oder Lehrkraft). Ihr lest abwechselnd Sätze oder Absätze. Hilf einander, schwierige Wörter zu lesen. Sprecht danach über den Inhalt. Lautes Vorlesen stärkt Sicherheit und Verständnis.
Erwartungshorizont: Der Schüler / die Schülerin liest drei Seiten abwechselnd mit seinem Partner flüssig vor und versteht den Inhalt.
25. Kreatives Schreiben
Mögliche Anleitung: Erhalte drei vorgegebene Wörter (z. B. „Hund“, „Regen“, „Haus“) und schreibe eine kurze Geschichte mit diesen Wörtern. Lies sie anschließend laut vor. Achte beim Schreiben auf Groß‑/Kleinschreibung und Satzzeichen. Überarbeite deinen Text, wenn du Fehler findest.
Erwartungshorizont: Der Schüler / die Schülerin verfasst einen kurzen Text, der die vorgegebenen Wörter beinhaltet, und liest ihn vor. Der Text soll Sinn ergeben und einfache Satzstrukturen verwenden.