Warum nehmen Lese- und Rechtschreibschwächen zu?
1) Pandemiebedingte Lernrückstände (30 %)
Durch Schulschließungen, Wechselunterricht und eingeschränkte Förderung sind vor allem Basisfähigkeiten wie Lesen und Orthografie zurückgefallen. Meta-Analysen zeigen deutliche Lernverluste; in Deutschland beobachteten IQB/IGLU einen klaren Abstieg bei Lesen und Rechtschreibung. Meta-Analyse bedeutet: viele Einzelstudien werden systematisch zusammengefasst. (PubMed)
2) Lehrkräftemangel, mehr Unterrichtsausfall & geringere individuelle Förderung (18 %)
Weniger Personal verschärft Ausfälle und verknappt Förderzeit – besonders in Grundschulen. Prognosen der KMK und Sachverständigen weisen seit Jahren auf eine Unterdeckung hin. Prognose heißt: eine auf Daten basierende Vorausberechnung. (KMK)
3) Weniger Lesezeit, mehr Bildschirmzeit & Ablenkung (12 %)
Jugendstudien berichten von intensiver Smartphone-Nutzung und häufiger Ablenkung bei Hausaufgaben. Das reduziert regelmäßige Lesepraxis – ein zentraler Treiber für Leseflüssigkeit. Lesepraxis bedeutet: häufiges, gezieltes Lesen im Alltag. (mpfs)
4) Soziale Ungleichheit (12 %)
Kinder aus bildungs- und einkommensschwächeren Familien waren von Pandemie-Effekten besonders betroffen; Lernrückstände sind hier größer. Sozioökonomisch = soziale und wirtschaftliche Lebenslage der Familie. (sciencemediacenter.de)
5) Wachsende Heterogenität/Sprachförderbedarf durch Migration (10 %)
Der Anteil von Schüler*innen mit Einwanderungsgeschichte ist gestiegen. Das ist bereichernd, erhöht aber ohne ausreichende Sprachförderung die Anforderungen für Lesen und Rechtschreiben. Heterogenität heißt: große Unterschiedlichkeit innerhalb einer Gruppe. (Statistisches Bundesamt)
6) Druck in der frühen Bildung (8 %)
Personalmangel in Kitas erschwert systematische Sprach- und Vorläuferförderung (z. B. Reime, Laute). Defizite vor der Schule wirken später beim Lesen/Schreiben nach. Vorläuferfertigkeiten = frühe Bausteine wie Lautbewusstheit. (Fachkräftebarometer)
7) Uneinheitlicher, teils wenig evidenzbasierter Leseunterricht (6 %)
Wirksam sind systematisches Laut-Buchstaben-Training kombiniert mit phonologischer Bewusstheit (Laute in Wörtern erkennen). Diese Bausteine werden jedoch nicht überall konsequent umgesetzt. Evidenzbasiert = durch Forschung nachweislich wirksam. (Schulpsychologie)
8) Mehr Diagnostik & Aufmerksamkeit (4 %)
Verbesserte Erfassung macht Schwierigkeiten sichtbarer. Das erklärt einen Teil des „Anstiegs“, auch wenn die tatsächliche Kompetenz gesunken ist. Diagnostik = Verfahren zum Feststellen von Lernständen. (Indizien aus den oben genannten Large-Scale-Studien und Berichten.) (Deutsches Schulportal)
Hinweis zum Gesamtniveau: PISA 2022 und IQB/IGLU 2021/2023 dokumentieren den Abwärtstrend im Lesen/Orthografie explizit – die hier genannten Faktoren wirken gemeinsam. Large-Scale-Assessment = große, standardisierte Vergleichsstudie. (PISA)
Wichtige Quellen (Auswahl)
- IQB-Bildungstrend 2021: Rückgänge in Lesen und Orthografie bei Viertklässlern. (IQB)
- IGLU/PIRLS 2021: Lesekompetenz in Klasse 4 weiter gesunken (Deutschland). (iea.nl)
- PISA 2022 (Deutschland-Bericht): Tiefststände u. a. im Lesen bei 15-Jährigen. (PISA)
- Meta-Analyse zu COVID-Lernverlusten: deutliche Einbußen, v. a. sozial ungleich verteilt. (PubMed)
- JIM-Studie 2024 / klicksafe: hohe Smartphone-Nutzung, selbstberichtete Ablenkung. (mpfs)
- KMK/SWK & Berichte zum Lehrkräftemangel: anhaltende Unterdeckung bis 2030er Jahre. (KMK)
- Destatis/SVR: steigender Anteil von Schüler*innen mit Einwanderungsgeschichte. (Statistisches Bundesamt)